Geburtstagssprüche - Geburtstagsgedichte - Zum 70. Geburtstag 
            
            
 
            Ludwig Eichrodt (1827-1892)  
            An meinem 70sten Geburtstage  
             Vor fünfundzwanzigtausend und  
  Fünfhundertfünfzig Tagen stund  
  Ich ziemlich in Gefahr,  
  Denn schwer ward ich zur Welt gebracht,  
  Doch hat's den Eltern Freud' gemacht,  
  Dass ich ein Büblein war.  
             Ja siebzig Jahre sind es schon,  
  Dass meiner Frau, der Appollon',  
  Nichts ahnte von dem Glück.*  
  Wie bitter hat mich nun gemahnt,  
  Seit ich zum erstenmal gezahnt,  
  Des Lebens Ungeschick!  
             Und doch, obschon ein Siebziger,  
  Bin ich ein Mensch ein glücklicher:  
  Kaum einmal war ich krank.  
  Zwar unberufen sag' ich's nur,  
  Es denkt mir nicht, dass ich Mixtur  
  Aus meinem Glase trank.  
             Vonnöten hab' ich keine Krück',  
  Und keine Brille für den Blick,  
  Ich hör' und schmecke gut;Was schreib' ich eine feste Hand!  
  Gottlob es ist mir unbekannt  
  Das Zipperlein, wie's tut.  
             Nur geht es mir wie jedem Greis,  
  Dass mir die Zähne reihenweis  
  Ausfallen kreuz und quer;  
  Doch tröstet mich der Umstand auch  
  Dass ich jetzt nicht zu beißen brauch'  
  In saure Äpfel mehr.  
             Und wird auch mein Gedächtnis schwach,  
  Dass ich oft letze Sachen mach',  
  So weiß ich doch noch scharf,  
  Zu unterscheiden Bös und Gut,  
  Und was ein Christenmensch voll Mut  
  Zur Seligkeit bedarf.  
             Ja loben muss ich Gott darum,  
  Dass er so alt und doch nicht dumm  
  Mich zeitlich werden lässt.  
  Ein unzufried'ner Jubilar?  
  Er wäre ja ganz undankbar  
  Für ein so selt'nes Fest!  
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